Wie der Satz „Schön für dich“ meine Welt ins Wanken brachte

Mich aber gleichzeitig neu aufbaute.

Mein Mann hat sich vor ein paar Tagen unglaublich geärgert. Irgendwas mit dem Online-Banking und dem neuen Handy. Bei mir laufen solche Sachen meistens glatt, ich bleibe entspannt. Bei ihm läuft bei sowas oft etwas schief – und er ärgert sich. Wenn das passiert, triggert mich das. Denn wenn du in dir ruhst, bringt dich nichts aus der Ruhe, oder?

Also gebe ich meinem Mann den Rat: Reg dich nicht auf. Denk positiv. Dann wird dir auch Positives widerfahren. Mein Mantra. Nicht seins.

Für ihn ist oft alles schwer und anstrengend. Für mich ist es leicht. Also mein Rat: Nimm’s leicht. Sieh’s positiv. Mach’s dir schön.

Seine Antwort: „Schön für dich.“

Leicht genervt, obwohl ich sehr bemüht war, in meiner positiven Energie zu bleiben.

Später sahen wir fern, als meine Tochter – 16 – nach Hause kam und mir ihr Leid klagte. Ich sagte: „Ja, das kenne ich. Das hatte ich auch. Aber als ich älter wurde, ging das einfach weg. Da muss man nichts machen.“

Sie: „Schön für dich.“

Exakt der gleiche Satz. Zweimal an einem Abend. Ich fühlte mich wie von einem Vorschlaghammer getroffen. Ich begann zu weinen, rannte die Treppe hoch, fluchend wie ein Teenager. Wie ätzend die zwei seien. Und dass sie einfach mal zuhören sollten.

Ein tiefer Einschnitt

Mein Mann rief mir hinterher: „Hast du schon mal überlegt, dass du das Problem bist?“

Bämm. Noch ein Schlag. Ich weinte. Ich war verzweifelt. Ich hatte mir am Tag zuvor noch überlegt, wie ich Menschen helfen möchte – und wie ich das anstellen könnte.

Und meine Familie fand, dass ich nicht hilfreich war.

In mir: der Impuls, alles hinzuschmeißen. „Lebt doch alle euer beschissenes Leben weiter – ich helfe euch nicht.“ Auch der nächste Tag war überschattet von Trauer. Denn das war nicht das erste Mal. Eine ähnliche Erfahrung hatte ich vor ein paar Wochen mit einer Bekannten gemacht. Ich hatte ihr einen gut gemeinten Rat gegeben. Gefragt – ungefragt – irgendwie dazwischen. Ich dachte, ich müsse es sagen, denn mein Innerstes schien zu zerbersten, wenn ich diesen Gedanken nicht loswurde.

Was ich daraus gelernt habe

Ich dachte, ich sei hilfreich. Ich dachte, ich sei klar. Ich dachte, ich sei auf einem guten Weg. Denn ich bin die, bei der die Dinge leicht gehen. Die immer wieder aufsteht. Die sich in die Magie verliebt hat, ins Mindset, in die Kraft des Positiven. Ich bin die, die aus Schmerz gelernt hat. Ich bin auch die, die helfen will. Aus tiefstem Herzen.

Und dann kam dieser Satz. Zweimal. „Schön für dich.“

Als würde all mein Wissen, mein Fühlen, meine Erfahrungen plötzlich in Frage gestellt werden. Als wäre meine Sicht auf die Welt nicht willkommen. Als wäre meine Art, durchs Leben zu gehen – falsch.

Ich weinte. Ich fluchte. Ich wollte alles hinschmeißen. Aber ich dachte lange darüber nach, was ich denn daraus für mich lernen könnte.

Aber dann sah ich es: Das war ein Spiegel. Ein Portal. Ein kraftvoller Ruf der Welt: „Halt inne.“

Denn mein Licht kann nur leuchten, wenn ich auch den Schatten anerkenne. Helfen heißt nicht immer sprechen. Weisheit heißt nicht, Lösungen zu haben – sondern Raum zu halten. Ich darf lernen, meine Gaben zu dosieren wie Medizin: sanft, achtsam, nur, wenn der andere wirklich bereit ist.

Ich darf meinen Platz einnehmen

Ich habe gelernt, dass „leicht“ für mich ein Weg war, den ich mir hart erarbeitet habe. Aber nicht jeder ist schon dort. Nicht jeder will dorthin. Nicht jeder geht meinen Weg. Und das ist okay.

Ich bin nicht falsch, weil ich helfen will. Ich bin auch nicht falsch, wenn ich damit anecke. Aber ich darf feiner werden in meiner Wahrnehmung. Und ich darf fühlen, wann mein Licht für andere gerade zu grell ist. Und wann jemand gerade überhaupt mein Licht möchte oder sich einfach nur nach einer Hand im Dunkeln sehnt.

Und das Wichtigste: Ich bin auch dann eine Hexe, wenn ich selbst gerade keine Antworten habe. Wenn ich weine, zweifle, fliehe. Denn meine Magie liegt nicht im perfekten Satz. Sie liegt in meiner Echtheit. In meinem Herzen.

Was „Schön für dich“ wirklich bedeutet

Vielleicht war „Schön für dich“ der ehrlichste Spiegel, den ich bekommen konnte. Und ich meine, zweimal der gleiche Satz an einem Abend. Wenn mir da das Universum nicht wirklich etwas sagen wollte, weiß ich es auch nicht!

Denn es stimmt. Es ist schön für mich. Nicht, weil ich mehr weiß oder besser bin. Sondern weil ich für mich einen Ort gefunden habe, an dem es leichter geworden ist. Ein innerer Zustand, den ich mir nicht erkämpft, sondern Schicht für Schicht ent-wickelt habe. Nicht immer bin ich dort, aber oft genug, um sagen zu können: Ja, es ist schön für mich.

Und das darf ich anerkennen. Ohne mich erklären zu müssen, ohne mich zu rechtfertigen, ohne andere überzeugen zu wollen. Denn was für mich schön ist, muss für andere (noch) nicht passen. Und das ist okay.

Ich muss niemandem zeigen, wie es geht, wenn ich nicht darum gebeten werde. Ich darf einfach da sein – wahrhaftig, ruhig, verbunden. Nicht als Antwort, sondern als Möglichkeit. Als Anker oder als Nordstern, wenn sie es wollen.

„Schön für dich“ ist kein Vorwurf. Es ist ein Ausdruck von Unterschiedlichkeit. Ein Zeichen dafür, dass jede*r den eigenen Rhythmus hat. Und vielleicht – ganz leise – auch ein Segen: Dass ich spüre, wie schön es ist, hier zu sein. Bei mir.

Foto von Emir Aydın auf Unsplash

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